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Berichte von Unternehmungen

Rubrik: Allgemeines, Rennsteiglauf als Wandertour

Eingestellt am 13.06.2008 20:45 von Jens Köhler.

Ralf Hartzsch hatte die Idee, mit einer "Abordnung" der Hochtourengruppe der DAV-Sektion Braunschweig am Rennsteiglauf teilzunehmen. Der Rennsteiglauf ist eine jährlich stattfindende Laufveranstaltung in Thüringen, die unter anderem eine Marathonstrecke über 43,5 km von Neuhaus am Rennweg nach Schmiedefeld anbietet. Für diese Aktion hatte Ralf bereits im Herbst Werbung gemacht, zugesagt hatten dann Gerhild Jüttner, Karin Gregan, Ralfs Frau Karina und ich. Das besondere an der Idee war, dass Ralf die Strecke nicht laufen, sondern wandern wollte, aber so schnell, dass wir noch in die Laufwertung kommen. Das Limit für die Zeitnahme lag bei neun Stunden, schon Wochen vorher überlegten wir, ob das zu schaffen sei. Hier gab es teilweise Irritationen, denn unter einem 5er-Schnitt haben Wanderer und Läufer unterschiedliche Vorstellungen.
Szenenwechsel: Es ist nun der Morgen des 17.Mai 2008. Wir nähern uns dem Startgebiet. Drei Fünfteln des Teams fällt ein, dass vor dem Start noch ein gewisser Ort aufzusuchen sei (Bevor hier jemand meckert: Ich bin auch darunter!). Eine ganz tolle Idee, denn vor den fünf Dixieklos ist eine ca. 20m lange Schlange. Als wir uns an der 10m-Marke befinden (ab hier: 30 Minuten, siehe auch: Heidepark), fängt es auch noch zu regnen an. Na ja, draufge...
Als wir dann fertig sind, begeben wir uns zur Gepäckaufgabe, denn der grüne Plastikbeutel wird mit Lkws der Deutschen Post nach Schmiedefeld gebracht. Für ca. 2500 Teilnehmer muss man eben schon etwas Logistik aufbieten, ein kleiner VW-Bus reicht hier nicht mehr.
Jetzt läuft der Countdown. Gerhild ist plötzlich verschwunden, später haben wir von ihr erfahren, dass sie unter einer der Laderampen der Post-Lkws einen trockenen Unterstand gesucht hat, denn der Regen wird stärker, je näher der Start rückt. Dies ist jedoch nicht tragisch,denn Gerhild will die Strecke lieber laufen, weil ihr das ganze als Wanderung zu anstregend sei. Noch einmal gibt die Kapelle ihr bestes von sich, nämlich das Rennsteiglied, wo alle begeistert mitsingen und -klatschen. Danach sowas wie Silvesterstimmung, alle zählen laut von zehn runter. Krach! Der Startschuss, die Menge rückt plötzlich zwei Meter nach vorn, um dann wieder in Stillstand oder leichtes Vorwärtstrippeln überzugehen. So trippeln wir uns zusammen nach vorne, immer näher an die trichterartige Verjüngung aus Absperrgittern heran. Dann plötzlich ein Ruck, und von jetzt auf gleich geht das ganze in eine schnelle Laufbewegung über. Karina und Ralf laufen sofort los, ich zögere noch, lasse mich dann aber mitreißen. Über das Schulgelände gelangen wir auf die Straße, die in leichter Steigung zur Hauptstraße von Neuhaus hinaufführt. Über uns ein Meer aus pulsierenden Köpfen und Schultern, sie wälzt sich die Straße nach oben, der schönste Anblick des Tages. Schnell holt mich aber die Realität wieder ein. Ralf und Karina haben nun das Laufen zugunsten eines sehr schnellen Gehens aufgegeben, meine Waden schreien um Hilfe, und wo sind eigentlich meine Trekkingstöcke?
Zwei Kilometer heißt es nun Zähne Zusammenbeißen. Dann sind wir aus dem Ort heraus, und die Straße geht in ein sanftes Gefälle über. Meine Waden freuen sich, und der drohende Muskelkrampf beruhigt sich. Etwas beunruhigt schaue ich mich um und sehe den "Besenwagen" ca. 150m hinter uns, bedrohlich nahe! Der eskortierende Motorradfahrer nähert sich und kümmert sich liebevoll um uns. Wenn wir Hilfe bräuchten oder nicht mehr können, er wäre sofort da, und könne per Funk Hilfe holen. Sehen wir etwa so kaputt aus, nur weil wir nicht wie die anderen 2500 Bekloppten davonrennen als bräche ein Krieg aus?
Die Straße windet sich leicht den Berg hinab, nach der ersten Doppelkurve der erste Verpflegungspunkt. Es wird schon abgebaut und Müll zusammengefegt, doch ein paar Becher mit Getränken stehen noch auf den Tischen. Ich kippe drei Becher mit isotonischem Irgendwas in mich hinein, und weiter geht's. Muss kurz laufen, um die anderen wieder einzuholen. Dann wird es gemütlich, denn wir verlassen die Straße und sind auf dem Wanderteil des Rennsteigs, auf einem netten Waldweg. Der Regen hört nun endgültig auf, die Amseln freuen sich mit uns und drücken ihre Freude gesangsmäßig aus!
Der weitere Weg bis Masserberg ist nun durch Waldwege geprägt. Ab und zu treffen wir Wanderer, die uns zujubeln und Beifall spenden, obwohl wir ganz hinten dran sind. Macht Spaß, sich mal bejubeln zu lassen! Unser Team hat eine sehr raffinierte Technik entwickelt, wenn mal jemand ins Gebüsch muss. Es wird einfach stumpf weitermarschiert, denn die Gruppe hat ja Vorrang! Der Verpisser muss die fehlende Strecke im Laufschritt aufholen, sowas stärkt die Moral. Karin hat dies hinter Friedrichshöh zur Perfektion gebracht, sie bildet eine Ein-Frau-Ausreißergruppe, sprintet voran, um ein Gebüsch zu suchen, findet stattdessen aber eine Wandergruppe, die schon ihr geplantes Gebüsch bewundert, daraufhin aber Karin bewundert, weil diese so sportlich an ihr vorbeiläuft. Was bleibt uns anderen anderes übrig, als ebenfalls in Laufschritt zu verfallen? Selbst das Pärchen in den roten Jäckchen, das uns über 20km die Treue hält, lässt sich mitreißen. Na, ist das eine Gaudi! Der Spaß kommt in unserer Gruppe jedenfalls nicht zu kurz.
In Masserberg will Ralf auf den Turm, denn wir stellen fest, dass wir eine ganze Stunde schneller sind als vorgesehen. Der Turmpförtner ist aber ein Automat, der nur 50-Cent-Münzen schluckt, und so bleiben wir unten. Noch ein paar Getränke eingenommen, und der Abstieg nach Masserberg beginnt. Wir überqueren ein kleines Hügelchen, danach kommt der gefährlichste Teil der Strecke, jedenfalls für die Läufer, denn der Rennsteig verliert viel Höhe in einem stark ins Gelände eingekerbten Hohlweg, dessen Grund aus kleinen Stufen, Wurzeln und glitschigen Steinchen besteht. Wie mag es wohl hier zugegangen sein, als sich die über 2000 Läufer durchgequält haben? Wir hatten jedoch kein Getümmel, und in leichtem Laufschritt hoppeln wir hinunter. Diesen Laufschritt haben wir immer wieder eingelegt, meistens auf Initiative von Karin und Karina, unseren nimmermüden Hauptantreiberinnen!
Danach ein Verpflegungspunkt, und wieder eine lange Straßenetappe, die uns nach Neustadt am Rennsteig bringt. 2km vor dem Ort kommen wir aus dem Wald heraus, und über schöne Löwenzahnwiesen gelangen wir in das kleine Städtchen. An der dortigen Verpflegungsstation demonstrieren Ralf und Karina den verdutzten Mitwanderern, dass man auch nach 28km noch Disco-Fox tanzen kann. Viele unserer Begleiter, die bis dahin mit uns Schritt halten konnten, waren davon so schockiert, dass sie sich zurückfallen lassen. Kurz vor Neustadt beginnt auch Karin "der Hai" Gregan mit ihrem Aufholprogramm. Wen sie vor unserer Gruppe erspäht, wird sofort zur jagdbaren Beute deklariert, dann wird das Tempo forciert, bis die Beute ihrs ist! Das Spiel hat sich mehrmals bis Schmiedefeld wiederholt.
In Frauenwald die letzte Verpflegungsstation. Statt der nun schon sattsam bekannten Getränke (Tee, Wasser, Schleim, Isotonic, Cola) gibt es auch Bier. Klar, wir haben uns dann für den Tee entschieden, schließlich sind wir Sportler! :-)
Nach der letzten Pause überholen wir die ersten regulären Läufer. Stolz darauf sind wir allerdings nicht. Der eine kämpft mit Wadenkrämpfen, der andere ist an Arm und Knie verletzt, weil er in dem Hohlweg gestürzt ist. Erst kurz vor dem Ziel überholen wir die gesamte Gruppe des VfL Brandenburgs, eine noch unverletzte Gruppe Läufer, die so schnell läuft, wie wir marschieren. Ach ja, kommen wir also zum Ziel. Alles, was einen Anfang hat, hat auch ein Ende, salbaderte schon das Orakel in der Matrix. Nach einigen langen Bergabläufen - jede von diesen Aktionen verdoppelt dabei die Anzahl der Blasen an meinen Füßen! - überqueren wir am tiefsten Punkt von Schmiedefeld die alten Eisenbahnschienen. Eine Linkskurve - Karin wird am Trikot erkannt und per Lautsprecher annonciert. Eine Art Rampe zieht asphaltiert links den Berg hinauf, in der Mitte geteilt durch Absperrgitter, rechts für die ankommenden Läufer, links für Zuschauer und heimkehrende Läufer. Ralf und Karina sagen, der Rest wird gelaufen! Ich nehme all meinen Mut zusammen und tu das, was ich sonst selten tu: Bergauf laufen. Karin verlieren wir leider, und als wir die massive Wand des VfL Brandenburgs vor uns haben, wechseln wir wieder in Gehtempo und lassen Karin aufschließen. Da, vermeintlich hört die Steigung auf, Karina, Ralf und ich wechseln wieder ins Lauftempo und ziehen in einer blitzsauberen Aktion rechts am VfL Brandenburg vorbei. Mit einer allseits bekannten "Strike"-Geste und einem Juchzer mache ich meiner Freude Luft! Aaaber, noch lange nicht Schluss. Der Weg macht eine scharfe Rechtsbiegung und schwenkt ein auf das Zieloval. Zahlreiche Plastikaufbauten suggerieren eine Ziellinie, aber jedesmal nur Täuschung! Noch eine kleine Rasenböschung hinauf, eine Linkskurve, unbekannte Läufer überholen (kommen die vom Supermarathon?) noch eine Linkskurve, kleines Gefälle, Zielgerade!! Da, jemand ruft meinen Namen auf, davor die von Ralf und Karina! Ich reiße den Wanderhut vom Kopf, die letzten Meter, unter mir die Erfassungsanlage der Zeitmessung, es piept, noch ein paar Meter, Ziel! Geschafft!!
Während Karina, Karin, Ralf und ich uns umarmen und beglückwünschen, taucht auch Gerhild aus dem Nichts auf - also von dort, wo sie am Start hinverschwunden ist - und schaut uns erstaunt und freudig an. So früh? So schnell? Ja, genau. Sechs Stunden 48 Minuten, zwei Stunden weniger, als von Ralf geplant! Und noch knapp zwei Stunden weniger, das war die Zeit von Gerhild, 04:53, damit ist sie die zweite ihrer Altersklasse geworden!
Obwohl das schon eine Menge war, muss noch etwas zur Rückfahrt erzählt werden. Die Formalitäten im Zielbereich (Zeitchip abgeben, Urkunde abholen, Klamottensack suchen, Bier und Suppe trinken) lasse ich mal weg. Wir liefen dann hinunter in das Zentrum von Schmiedefeld, wo die Busse warten sollten. Der Bus nach Neuhaus stand bereit, eine kleine Schlange hatte sich gebildet. Wir kaperten schnell den Bus, und setzten uns in die Mitte auf den Boden, da alle Plätze bereits belegt war. Der Bus fuhr los, blieb jedoch nach 20m wieder stehen, der Busfahrer stellte den Motor aus und verschwand. Planmäßige Abfahrt sei um 18:00 Uhr, daran gäbe es nichts zu rütteln. Er gehe kurz was essen, es sei ja erst kurz nach halb. Wir wollten uns ins Schicksal fügen und die Zeit still absitzen, doch ein Einheimischer im hinteren Teil des Busses war damit nicht einverstanden und bezeichnete den Busfahrer als Flitzepiepe und wollte offensichtlich auch die Scheibe einschlagen. Die Busfahrt dauerte dann eine Stunde, wir mussten jetzt nur noch das Auto wiederfinden. Danach ging's zurück ins Hotel, kurz Duschen, dann Abendessen, Ende eines insgesamt tollen Tages!

Jens Köhler
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